Das Mietrecht und die Corona Krise – Was Mieter und Vermieter wissen sollten

Der Bundestag hat auf Grund der Corona Krise in atemberaubender Geschwindigkeit ein Gesetz zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen erlassen, welches mit der Veröffentlichung im Bundesgesetzesblatt in Kraft tritt. Vorgesehen ist eine Wirkung ab dem 1.4.2020 für den mietrechtlichen Bereich, für die anderen Bereiche ist eine Rückwirkung zum 1.3.2020 vorgesehen.

Das Gesetz trägt den nicht leicht verdaulichen Namen

„GESETZ ZUR ABMILDERUNG DER FOLGEN DER COVID-19-PANDEMIE IN ZIVIL-, INSOLVENZ-UND STRAFVERFAHRENSRECHT – COVFAbG“

In dem Gesetz sind eine Vielzahl von Änderungen für verschiedene Gesetze, etwa das Aktien Gesetz, die Strafprozessordnung oder das Wohnungseigentums Gesetz enthalten.  Die  für Mieter und Vermieter entscheidende Norm ist jedoch die Änderung des Artikel  240 des Einführungsgesetz zum BGB. Dort ist folgender § 2 enthalten:

§ 2 Beschränkung der Kündigung von Miet- und Pachtverhältnissen

(1)Der Vermieter kann ein Mietverhältnis über Grundstücke oder über Räume nicht allein aus dem Grund kündigen, dass der Mieter im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Der Zusammenhangzwischen COVID-19-Pandemie und Nichtleistung ist glaubhaft zu machen. Sonstige Kündigungsrechte bleiben unberührt.

(2) Von Absatz 1 kann nicht zum Nachteil des Mieters abgewichen werden.

(3) Die Absätze 1 und 2 sind auf Pachtverhältnisse entsprechend anzuwenden.

(4) Die Absätze 1 bis 3 sind nur bis zum 30. Juni 2022 anzuwenden.

Aktuell ist die oben genannte Norm  bereits heftig diskutiert, nachdem Adidas, H&M und andere Großunternehmen angekündigt haben, die Mieten für ihre Ladenflächen ab April nicht  zahlen zu wollen.

Aber welche Rechtsfolgen haben diese 6 Sätze wirklich ? Und welche Fragen sind auf Grund des knappen  Gesetzes noch offen ?

Naturgemäß eine vorläufige Einschätzung,  da die Fragen erst in den nächsten Jahren gerichtlich geklärt und erst dann zur Rechtssicherheit führen werden.

A: Tatsächlicher Regelungsinhalt

  1. Ausschluss der Kündigung

Tatsächlich regelt  das oben genannte Gesetz nur, dass eine Kündigung eines Miet- oder Pachtverhältnisses wegen Zahlungsverzuges für rückständige Zahlungen bezüglich fälliger Mieten aus  dem Zeitraum 1.4.-30.6.2020 unwirksam ist, wenn der Mieter glaubhaft machen kann, dass die  Nichtzahlung auf Auswirkungen der COVID-19 Pandemie beruht.

 

Grundsätzlich wird also nicht die Mietzahlungspflicht ausgesetzt, sondern lediglich das Recht zur Kündigung des Mietvertrages wegen des Zahlungsrückstandes beschnitten.

 

  1. Zahlungspflicht des Mieters

Der Mieter ist weiterhin zur Zahlung der  Miete verpflichtet. Kommt der Mieter mit der Zahlung in Verzug, ist die rückständige Miete (soweit Sie – wie fast immer – zu einem fixen Datum wie dem dritten Werktag im Monat geschuldet ist)  zu verzinsen, bei Verbrauchern sind das 5% über dem Basiszinssatz (gegenwärtig 4,12%) bei Gewerbetreibenden 8% über dem Basiszinssatz (gegenwärtig 7,12%).

 

  1. Klageweise Geltendmachung rückständiger Miete

Durch die weiterhin bestehende Mietzahlungspflicht ist der Vermieter natürlich auch berechtigt, die ausstehende Miete gerichtlich einzuklagen. Erlangt der Vermieter einen gerichtlichen Titel – beispielsweise im gerichtlichen Mahnverfahren – kann der Vermieter auch jederzeit gegen den Mieter vollstrecken.

Einzige Unsicherheit im Rahmen einer Klage auf Mietzinszahlung dürfte bei Räumlichkeiten bestehen, die auf Grund einer Verfügung des Staates geschlossen bleiben müssten. IN den genannten Fällen könnte eventuell ein Mangel im Sinne des § 536 BGB vorliegen, der die Miete auf 0 reduzieren könnte (dazu siehe weiter unten unter 2.c.)

Die im Gesetz genannte Glaubhaftmachung der Unmöglichkeit der Leistung auf Grund der COVID Pandemie ist einzig und alleine auf die Kündigung des Mietverhältnisses bezogen. Eine Erweiterung der  Unmöglichkeit auf die grundsätzliche Zahlungspflicht ist nicht im Gesetz enthalten, so dass eine Zahlungsklage nicht von einem Gericht mit dem Argument  abgewiesen werden kann, dass eine Zahlung wegen der COVID-Pandemie nicht möglich war. Der Gesetzgeber hätte die Möglichkeit gehabt, eine solche Klausel einzubauen, hat sich aber dagegen entschieden, so dass kein Platz für eine Auslegung oder Analogie  möglich ist. Das zeigt sich auch daran, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Regelungen zur Miete gerade kein Leistungsverweigerungsrecht wie in § 1 des Gesetzes, eingefügt hat. Auch das im Gesetz genannte Zahlungsmoratorium bis zum 22.6.2022  gilt nur in Bezug auf die Kündigung, beinhaltet aber kein eigenes Zurückbehaltungsrecht an der Miete bis zum 22.6.2022

Der Gläubiger – sprich der Vermieter –  ist daher angehalten, seine Zahlungsansprüche im Zweifel unverzüglich gerichtlich durchzusetzen.

 

  1. Kündigung des Mietverhältnisses

Nach § 543 BGB kann das Mietverhältnis fristlos gekündigt werden, wenn der Mieter im Verlauf von zwei aufeinanderfolgenden Monaten mit mehr als einer Miete bzw. über einen längeren Zeitraum mit mehr als 2 Monatsmieten in Rückstand gerät. Eine ordentliche Kündigung kann bei einer sonstigen Vertragspflichtverletzung erfolgen. Nach Rechtsprechung des BGH liegt das insbesondere dann vor, wenn ein Zahlungsverzug von mehr als einer Monatsmiete vorliegt.

Nach dem nun erlassenen COVID Gesetz kann weder eine ordentliche noch eine fristlose Kündigung ausgesprochen werden, wenn der Mieter glaubhaft macht, dass die fehlende Zahlung auf den Auswirkungen der COVID-Pandemie beruht.

Die Formulierung des Gesetzes bürdet daher die Beweislast für das Unvermögen  der Zahlung und der Kausalität der COVID-Pandemie dem Mieter aus, allerdings sind die Hürden nicht all zu hoch, da das Gesetz nur eine „Glaubhaftmachung“ fordert. Im Gegensatz zum Strengbeweis, bei dem der Richter von der Richtigkeit der mit dem Beweis geltend gemachten Tatsachen überzeugt sein muss, reicht es bei der Glaubhaftmachung aus, dass der Richter die zu beweisende Tatsache für wahrscheinlich hält. Darüber hinaus kann zur Glaubhaftmachung auch eine eidesstattliche Versicherung genutzt werden. Dabei kann auch der Mieter selber eine solche eidesstattliche Versicherung nutzen. Dementsprechend könnte theoretisch als Verteidigung eine eidesstattliche Versicherung des Mieters zur Verteidigung ausreichen, dass er auf Grund der Corona Krise keine Einnahmen hatte.

Die Verteidigung gegen eine Kündigung wegen rückständiger Mieten für den Zeitraum April – Juni 2020 dürfte daher in den meisten  Fällen gelingen. Lediglich Lebensmittelhändler und Apotheker dürften höhere Hürden bei der Darstellung haben.

Fazit:

Das COVID Abmilderungsgesetz verhindert ausschließlich die Kündigung, berechtigt aber nicht per se den Mieter zur Nichtzahlung der Miete.

Zusammenfassend  ist auch nach dem COVID Abmilderungsgesetz der Mieter zur Mietzahlung verpflichtet und kann darüber auch gerichtlich in Anspruch genommen werden. Insoweit verwundert die Ankündigung von adidas, H&M  und anderen Gesellschaften, entstehen doch bei hohen Ladenmieten in Bestlagen schnell Rechtsverfolgungsansprüche in vier- bis fünfstelliger Höhe, während die Kreditkosten für diese Mieten wesentlich geringer sein dürften. Der Grund der Nichtzahlung dürfte wohl eher in der Erhaltung der Liquidität  und eventuell der Vorbereitung von Nachverhandlungen über die Miethöhe als Hintergrund haben.

Das COVID Abmilderungsgesetz verlagert das wirtschaftliche Ausfallrisiko weiter auf den Vermieter, muss er doch trotz fehlender Mieten an dem Mietverhältnis festhalten.

 

Vermietern kann daher  bei fehlender Mietzahlung nur angeraten werden, unmittelbar die gerichtliche Geltendmachung, beispielsweise mittels eines gerichtlichen Mahnbescheides, zu forcieren.

B: Offene Fragen

  1. Verrechnung Kaution

Zahlt der Mieter eine der Mieten im Zeitraum April-Juni 2020 nicht stellt sich die Frage, ob der Vermieter die Kaution in Anspruch nehmen kann, um nachfolgend einen Kautionsauffüllungsanspruch gegen den Mieter geltend machen zu können.

Allerdings ist im Wohnraummietrecht ein Zugriff auf die Kaution während eines laufenden Mietverhältnisses unzulässig (siehe BGH Urteil vom 7.5.2014 AZ: VIII ZR 234/13). Ein solcher Zugriff ist nach der Rechtsprechung des BGH nur mit anerkannten Ansprüchen oder mit rechtskräftig festgestellten Ansprüchen möglich, so dass im Endeffekt eine Verrechnung der Mietforderung mit der Kaution nicht möglich ist.

Im Gewerberaummietrecht gilt § 551 BGB, der die Anlage der Kaution regelt, nicht. Daher ist dort grundsätzlich eine Auszahlung der Kaution möglich. Nach herrschender Ansicht in der Literatur und Rechtsprechung soll jedoch während eines laufenden Mietverhältnisses nur wegen solcher Forderungen auf die Kaution  zugegriffen werden können, die sich bereits im Verzug befinden und die nicht bestritten wurden (siehe etwa OLG Hamm, Urteil vom 11.2.2016 AZ: 18 U 42/15). Somit könnte der Gewerbevermieter – anders als der Wohnraumvermieter – im Falle eines Mietausfalls wegen der Corona Krise auf die Kaution zugreifen. Zumindest solange der Mieter nicht wiederspricht.

  1. Berechnung des kündigungsrelevanten Rückstandes

Offen bei dem jetzigen Gesetz  ist, wie der kündigungsrelevante Rückstand gemäß § 543 BGB zu berechnen ist, wenn bereits vor dem 1.4.2020 bzw. nach dem 30.6.2020 weitere Mietrückstände  bestehen. Eine ausdrückliche Regelung ist dem Gesetz für diesen Fall nicht zu entnehmen.

Allerdings ergibt sich die Einordnung solcher Rückstände aus § 2 Absatz 2 des COVID Abmilderungsgesetzes. Danach darf nicht zum „Nachteil des Mieters“ von den Regelungen des Gesetzes abgewichen werden. Dies bedeutet, dass Mietrückstände, die in der Zeit vom 1.4.2020 bis zum 30.6.2020 auf Grund der Corona Pandemie aufgelaufen sind auch nicht anteilig zu späteren oder früheren Mietrückständen hinzugerechnet werden dürfen.

Ein Beispiel  macht dies deutlich: Hat der Mieter für März 2020 nur 60% der Miete gezahlt, für April, Mai und Juni 2020 gar keine Miete und für Juli 2020 wieder nur 50% der Miete, liegt trotzdem kein Kündigungsgrund vor. Es fehlen zwar insgesamt  390% der Miete oder 3,9  Monatsmieten, allerdings sind die Monatsmieten April, Mai und Juni 2020 nicht in die Berechnung mit einzubeziehen, wenn der Mieter glaubhaft macht, dass die Nichtzahlung auf der Corona Pandemie beruht. Dann liegt nur ein Mietrückstand von 0,9 Monatsmieten vor, was aber nach dem Gesetz gerade nicht zu einer Kündigung berechtigt. Darüber hinaus kann der Vermieter, soweit der Mieter mit späteren Zahlungsverzug nicht über die Grenze von 2 Monatsmieten (ohne die „Corona-Mieten“ für April-Juni 2020) hinauskommt, bis Juni 2022 nicht kündigen. Nur wenn der obige Zahlungsrückstand noch im Juli 2022 besteht, kann der Vermieter kündigen.

Auch hier kann der Vermieter nur durch eine Zahlungsklage einen derartigen Zahlungsausfall verhindern.

  1. Minderung der Miete wegen fehlender Nutzungsmöglichkeit

Wie oben bereits ausführlich beschrieben, gewährt das COVID Abmilderungsgesetz keinen Aufschub der Mietzahlung sondern nur eine Aufhebung der Kündigungsrechte des Vermieters.

Es stellt sich jedoch die Frage, ob Gewerbemieter – wie etwa adidas und H & M – unabhängig von den Corona Regelungen der Bundesregierung von der Mietzahlungspflicht befreit sind, da eine Nutzung der Flächen durch die Schließungsanordnung der jeweiligen Landesregierungen unmöglich geworden ist.

Grundsätzlich können auch Eingriffe von außen zu einer Mietminderung führen (siehe etwa BGH, Urteil vom 23.04.2008 AZ: XII ZR 62/06; KG Berlin, Urteil vom 12.11.2007 AZ: 8 U 194/06;BGH Urteil vom 13.7.2011, AZ: XII ZR 189/09).

Fraglich ist allerdings, ob die staatlich angeordnete Schließung, welche ja erst zu der fehlenden Nutzungsmöglichkeit führt, auch zu einer Minderung der Miete auf Null führt, bzw. die staatliche Schließungsanordnung dem Vermieter zugerechnet wird, der durch die Anordnung seinen Anspruch auf Mietzahlung verliert.

Für eine solche Minderung könnte man gerade bei Ladenflächen argumentieren, da der Zweck der Vermietung der Betrieb eines Ladengeschäftes ist, was aber durch die Anordnung unmöglich geworden ist. Ein Verschulden des Vermieters ist bei einer Minderung nicht erforderlich.

Gegen eine solche Minderung spricht die weitere Nutzungsmöglichkeit der Fläche. Eine Vielzahl von Geschäften bieten mittlerweile im Rahmen der Ladengeschäfte einen Lieferservice an, auch werden die Flächen oftmals für Lager- und Inventurarbeiten genutzt. Auch der Gesetzgeber geht im Rahmen der Corona Gesetzgebung von einer bestehenden Zahlungspflicht der Mieter aus (siehe oben).

Letztlich sprechen gute Argumente für beide Seiten und viel kommt auf den jeweiligen Einzelfall an, so dass nicht vorhergesehen werden kann, wie sich die Obergerichte in 1-2 Jahren entscheiden werden (soweit der Gesetzgeber keine Klärung herbeiführt).

Derzeit können sich auf Grund der bestehenden Rechtsprechung des BGH aber adidas, H & M und andere, deren Geschäfte auf Grund einer staatlichen Anordnung geschlossen sind, auf diese Rechtsposition zurückziehen. Eine Kündigung der Gewerbemietverträge kann auf Grund des COVID Abmilderungsgesetz nicht erfolgen, da die Unternehmen durch die Schließung der Geschäfte einen massiven Umsatzrückgang glaubhaft machen können.

Ob eine Mietminderung zu Recht erfolgte müssen dann die Gerichte bewerten.

 

 

 

Rechte und Pflichten der Mieter und Vermieter in der Coronakrise
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