Das Wohnungseigentumsrecht ist eine äußerst seltsame Rechtsmaterie. Eigentlich sollte das Gesetz die Selbstverfassung der Eigentümergemeinschaften regeln, quasi als Hilfe zur Selbsthilfe. Mittlerweile ist das Wohnungseigentumsrecht aber derart kompliziert geworden, dass die Wohnungseigentümer, die professionellen Verwalter und mitunter auch Rechtsanwälte ein Problem damit haben.

Ein Beispiel:

Ein Mandant kommt mit einem Beschluss der „Wohnungseigentümergemeinschaft“ (im folgenden WEG) an, der ihm nicht passt. Bei der WEG handelt es sich um die Eigentümer von mehreren Wohnungen, die sich nun um die erforderliche Pflege der Stellplätze und die damit verbundenen Kosten streiten. Der „Verwalter“  lädt zu einer Eigentümerversammlung bezüglich der Stellplätze, ohne die Tagesordnungspunkte, insbesondere die Absicht über den Abschluss eines  Vertrages zu beschließen, in der Einladung zu spezifizieren.

Normalerweise eine „sichere Sache“ vor Gericht, da Beschlüsse erfolgreich angefochten werden können, wenn aus der Einladung nicht die zu beschließenden Punkte ersichtlich sind (so zuletzt BGH, Urteil vom 13.1.2o12 AZ: V  ZR 129/11). Alle sonstigen Formalien des Wohnungseigentümergesetzes  wie Ladungsfrist, Feststellung der Mehrheitsverhältnisse, Teilnehmerliste usw. hält der Verwalter ein und fertigt auch ein ordnungsgemäßes Protokoll über die Versammlung.

Angesichts der fehlerhaften Einladung ist die Anfechtungsklage jedoch schnell diktiert.

Bei der Kontrolle der geschriebenen Klage will ich die Formalien der Einladung mit der Teilungsordnung der Wohnungseigentümergemeinschaft überprüfen.  Plötzlich fällt mir auf, dass die Teilungsordnung mit keinem Wort die Stellplätze erwähnt, weder sind  Sondernutzungsrechte an den Stellplätzen zugeordnet worden, noch gibt es eine sonstige Regelung.

Auf Nachfrage bei den Mandanten erhalte ich die Auskunft, dass es noch ein notarielles Dokument gäbe, dass die Mandanten damals unterschrieben hätten, deren Inhalt aber nicht ganz klar sei. Nach Übersendung des ominösen Dokuments kommt die Überraschung: Die Stellplätze gehören gar nicht zur Wohnungseigentümergemeinschaft, diese liegen vielmehr auf einem zweiten Grundstück, dass den Wohnungseigentümern in Miteigentum gehört. Das notarielle Dokument beurkundet dabei die Miteigentümerstellung der Wohnungseigentümer an diesem Flurstück.

Böse Falle.

Die Grundprämisse des (im übrigen gewerbsmäßigen)Verwalters war eine WEG-Verwaltung. Dies habe ich anfangs ungeprüft übernommen, ist es doch in den meisten Fällen so, dass in der Teilungsordnung auch die Sondernutzungsrechte an Stellplätzen geregelt werden, so dass die Verwaltung dieser Stellplätze gemeinsam mit den Wohnungen unter das WEG Recht fällt. Doch dies ist nicht der Fall,   hier wird lediglich eine Miteigentümergemeinschaft an einem gesonderten Grundstück – den Stellplätzen – gebildet. Die Miteigentümergemeinschaft an einem Grundstück unterfällt jedoch  nicht dem WEG-Gesetz, da es hier an der Grundvorraussetzung, der Abgeschlossenheit des Sondereigentums, fehlt.  Stellplätze können daher nicht als Sondereigentum gelten (nur Garagenplätze im Gebäude – siehe § 3 Absatz 2 WEG). Daher gilt hier nicht das WEG, sondern die Regelungen über die Gemeinschaft gemäß §§ 741 ff BGB.  Die Gemeinschaft hat jedoch sehr „laxe“ Vorschriften über die Ladung zu einer Versammlung, so dass die nach dem WEG Recht erfolgreiche Anfechtungsklage  nach dem Gemeinschaftsrecht wohl abgewiesen worden wäre, da der Beschluss trotz der Fehler in der Einladung von der Mehrheit der Miteigentumsanteile (siehe § 745 Abs 1 BGB -auch ein gewichtiger Unterschied zu den gesetzlichen WEG-Regelungen des § 25 WEG!)  genehmigt wurde.

Zum Glück habe ich die Falle noch bemerkt, dies wäre ein klassischer Fall für eine Anwaltshaftung gewesen. Ich konnte mir auch schon lebhaft das Gesicht des WEG-Richters vorstellen, der zu Beginn der mündlichen Verhandlung darauf hinweist, dass er in dieser Sache wohl nicht zuständig sei und fragt, ob man die Klage nicht besser zurücknehmen wolle…..

Aber man sieht, welch hochkomplexe Materie das WEG-Recht und die verbundenen Rechtsgebiete sind. Sowohl der erfahrene Verwalter einer großen Hausverwaltungsfirma wie auch sämtliche Wohnungseigentümer gingen von einer WEG-Verwaltung aus, obwohl dies von Anfang an nicht der Fall war.  Seit Jahren wurden „falsche Beschlüsse“ für die Stellplätze gefasst, ohne dass dies bemerkt wurde. Für den Anwalt heisst es daher immer die Teilungsordnung zu überprüfen, denn zwischen dem von den beteiligten „angewandten Recht“ und dem tatsächlichen Recht können erhebliche Unterschiede liegen.

Streithäuser und Streitparkplätze – Fiese Fallen im Wohnungseigentümergesetz
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3 Kommentare zu „Streithäuser und Streitparkplätze – Fiese Fallen im Wohnungseigentümergesetz

  • 10. Dezember 2012 um 17:22 Uhr
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    Hallo : Ein einem Haus mit unterschiedlich grossen Eigentumswohnungen wird immer nach den Anteilen abgestimmt. Gilt das auch bei der Bestellung eines neuen
    Hausverwalter ? Würde jeder Eigentümer eine Stimm gelten kann im vorliegenden Fall
    1/3 der Eigentümer den Verwalter bestimmen.

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    • 11. Dezember 2012 um 16:33 Uhr
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      Die Art der Abstimmung erfolgt immer auf Grundlage der Teilungserklärung – soweit diese dazu eine Regelung enthält. Die Eigentümer können dabei bestimmen ob Sie nach Miteigentumsanteilen oder nach Köpfen abstimmen wollen. Soweit eine Abstimmung nach Miteigentumsanteilen geregelt ist, kann es durchaus sein, dass ein Eigentümer alleine die „Mehrheit“ hat.

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