Es ist bekannt, dass Rechtsanwälte für ihre Beratung wie auch für ihre Prozessführung haftbar gemacht werden können. Das kann sogar soweit gehen, dass der Rechtsanwalt das Gericht auf aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung hinweisen muss (die Rechtskenntnis also dem Gericht „aufdrängen“ muss) , um sich nicht haftbar zu machen (siehe BGH, Urteil vom 18.12.2008 AZ: IX ZR 179/07).
In einem Verfahren ist nun einer Vorsitzenden Richterin am LG ein Fehler passiert, den ich in gewissem Sinne „auszubaden“ habe :
Der Kläger fordert beim Landgericht eine Summe X abzüglich der Summe Y, einer Forderung des Beklagten, die aufgerechnet wird . Ich erhebe für den Beklagten Widerklage über die Summe Y. Das Verfahren samt Sachverständigengutachten zieht sich über 2 Jahre. Im Termin zur mündlichen Verhandlung stellen die Parteien die Anträge hinsichtlich der Klage und der Widerklage, die Vorsitzende will ein „Stuhlurteil“ machen. Ich beantrage für die Sicherungsvollstreckung sogar noch eine vollstreckbare Kurzausfertigung.
Diese Woche nun lag das Urteil in der Post: „Die Klage wird abgewiesen“. Kein Wort zur Widerklage. Ich rufe bei der Vorsitzenden an und frage nach. „Widerklage ?….Lassen Sie mich einen Blick in die Akte werfen……..Ohhhh……Hab ich vergessen !……Was machen wir denn nun?“ Ich schlage § 319 ZPO vor, dies wäre für meinen Mandanten das Beste und Schnellste. Nach einem Blick in das Gesetz und die Kommentierung bleibt nur der Antrag meinerseits nach § 321 ZPO. Das Missliche daran: Nun ist eine völlig überflüssige mündliche Verhandlung notwendig. Der Kläger muss knapp 300 km zum Gericht fahren, ich ca. 80km. Für beide geht also ein Arbeitstag „drauf“. Auf das schriftliche Verfahren wird sich der Kläger wohl nicht einlassen (dem kommt die Verzögerung ganz recht). Eine weitere Terminsgebühr gibt es auch nicht. Der Schaden für die Vergesslichkeit der Vorsitzenden liegt also bei mir.
Habe ich einen Schadensersatzanspruch gegen das Land (§ 839 BGB) ?
Oder bin ich nach den Grundsätzen des BGHs selber schuld, weil ich die Vorsitzende nicht in der Verhandlung darauf hingewiesen habe, dass sie auch die Widerklage entscheiden muss ? (Ich werde es auch zukünftig unterlassen einem Richter einen solchen Hinweis zu geben….)
bei 80 km geht ja wohl kaum 1 Arbeitstag drauf und wenn es dem Kläger sogar 300 km wert ist, lieber mündlich erneut zu verhandeln und nicht im schriftlichen Verfahren, hat er den grösseren Umstand, der durch Zeitverzögerung doch in der Sache kaum so gravierend kompensiert werden dürfte.
Im übrigen sind auch sonst oft genug weitere Verhandlungstermine vom RA wahrzunehmen, ohne dass er dafür zusätzliche Terminsgebührt erhält, wie sie zB nach nachgelassenen Schriftsatzfristen etc nötig werden können. Obgleich RAe eigentlich vor dem Verhandlungstermin nach dem Beschleunigungsgrundsatz rechtzeitig ihre Schriftsätze einzureichen hätten. Da müssen auch Richter und Gegenanwälte schon mal zu weiterer Verhandlung anrücken…. Und was §839 BGB angeht: Wieso sollten SIE denn einen Ersatzanspruch haben – in Höhe welchen Betrages?
Das ich tatsächlich wohl keinen Schadensersatzanspruch habe ist mir auch klar, es sollte eine rhetorische Frage sein…angesichts der Eingangs zitierten BGH Rechtsprechung wäre der hohe Haftungsmaßstab für Anwälte auch in anderen Angelegenheiten anzunehmen. Der Schaden ist da, im Endeffekt aber wohl bei dem Kläger: Der Termin wäre ohne die „Vergesslichkeit“ nicht erforderlich gewesen (Sachverhalt ist unstreitig: Wenn die Klage abgewiesen wird, ist die Widerklage begründet), die Reisekosten + Abwesenheitsgeld für diesen Termin trägt der Unterlegene. Das ist etwas anderes als wenn in nachgelassenen Schriftsätzen noch neuer Vortrag kommt und deshalb ein Termin notwendig wird. Ein Termin zum Antragstellen (der bereits gestellt wurde) und wieder heimfahren ist nicht gerade sinvoll.
Und auch bei 80 km ist (fast) der ganze Arbeitstag weg: Anfahrt von Hamburg nach X dauert durchaus 1 Stunde. Da auch ein Zeitfenster eingeplant werden muss (Parkplatzsuche, Verkehr, evtl Verzögerung bei Gericht) ist für die Verhandlung auch eine Stunde einzuplanen. Rückfahrt eine Stunde. Terminsbericht schreiben (ok, der wird kurz). Schon sind wir bei 4 Stunden….Mein Arbeitstag 🙂
Ist es nicht eigentlich völlig egal, ob Sie einen Anspruch haben?
Klagen Sie ihn doch einfach bis zum BGH ein. Argumentieren Sie am besten dort, sie hätten bei der Abfassung des Urteils nicht persönlich mitwirken dürfen, und daher habe der Vorsitzende, durchdrungen von der Kenntnis des BGH-Urteils vom 18.12.2008, Sie absichtlich zur Schädigung Ihrer Partei veranlasst. Die persönliche Mitwirkung des Rechtsanwalts bei der Abfassung des Urteils sei aber ersichtlich veranlasst.
Sie werden sicherlich verlieren. Was bleibt sind die Mehreinnahmen infolge Ihrer künftigen Veröffentlichungen zu dem Thema: Was tun, wenn der Vorsitzende pennt!
Einer der positive Kenntnis von der Rechtsprechung zur 0,3 Geschäftsgebühr der Nr. 2300 VV RVG hat.
ach, Sie arbeiten nur halbtags?
Na klar, wie alle anderen 150.000 Anwälte in diesem Land bin ich den Rest des Tages damit beschäftigt das eingenommene Geld zu zählen….
Seit wann haften denn Richter für das was sie tun (oder lassen). Wir sind doch in Deutschland.
Richter dürfen unbehelligt tun und lassen,was sie wollen.
Seit 1933 wissen wir das (und es ist seit dem faktisch unverändert) und auch Freisingers Witwe wusste diese Regel zu schätzen.
Matthias
Immer diese Gejammere über einen Arbeitstag…
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