Wie bereits in unserem Blog berichtet, scheuen sich die Banken vor einem höchstrichterlichen Urteil zum sogenannten „Widerrufsjoker“ sowie zur Fragestellung der Verwirkung von Widerrufsrechten. Zu dieser Vermeidungsstrategie ist letzte Woche ein weiterer Fall hinzugekommen.


Das OLG Stuttgart hatte – gemäß der wohl überwiegenden Meinung der Oberlandsgerichte – mit Urteil vom 29.9.2015 entschieden, dass ein Widerruf, der erst nach Abwicklung des Darlehensvertrages erfolgte, wirksam, eine Verwirkung dieses Rechts jedoch nicht gegeben sei.

Auch führt nach Ansicht des OLG Stuttgart eine inhaltliche Bearbeitung dazu, dass  der Verwender sich nicht auf die Musterwiderrufsbelehrung des Gesetzgebers berufen kann.  Auf Grund der unterschiedlichen Rechtsansichten der verschiedenen Oberlandesgerichte (siehe etwa OLG Frankfurt, Urteil vom 7.7.2014 AZ: 23 U  172/13 – allerdings noch nicht Rechtskräftig da der BGH für die Nichtzulassungsbeschwerde  Prozesskostenhilfe gewährt hat: AZ: XI Z A 18/14) wurde ausdrücklich die Revision zugelassen.

Diese wurde auch durch die Bank eingelegt und begründet, da der BGH für den 5. April 2016 einen Termin zur mündlichen Verhandlung festgesetzt hatte.

Wie gehabt wurde auch dieser Termin eine Woche vorher  durch den BGH aufgehoben, da die Banken als Revisionsführer ihre Revision zurückgenommen haben (und somit incident eigentlich dass Urteil des OLG Stuttgart akzeptiert hat. Allerdings entfaltet ein Urteil eines Oberlandsgerichts keine Bindungswirkung für andere Gerichte, wie es beim BGH der Fall wäre).

Offensichtlich geht es auch hier wieder um Zeitverzögerung, um möglichst viele Verbraucher von einem Widerruf eines laufenden oder bereits beendeten Darlehensvertrages abzuhalten. Die Möglichkeiten des Widerrufes eines laufenden oder bereits beendeten  Darlehensvertrages wegen eines Fehlers in der Widerrufsbelehrung sind nur noch in einem engen zeitlichen Rahmen möglich.

Das bisher unbegrenzte Widerrufsrecht für Altverträge wird nach aktueller Gesetzeslage  zum 21.6.2016 enden.

Die Banken müssen also nur ein BGH Urteil bis zum 21.6.2016 verhindern (obwohl diese Regelung im Gesetzgebungsverfahren kritisiert wurde siehe Gutachten Prof Knops). Das bedeutet für die Banken nur noch 10 Wochen „Verzögerungspolitik“, danach müssen Sie nur noch die bis zum 21.6.2016 erfolgten Widerrufe „abarbeiten“. Und solange kein BGH Urteil in der Welt ist, werden erheblich weniger Verbraucher angesichts der Rechtslage ihr Widerrufsrecht ausüben.

So mutet die gerade heute hier eingegangene  Klageerwiderung einer Bank angesichts des obigen Verhaltens geradezu höhnisch an, in der  nachdrücklich darauf hingewiesen wird, dass der BGH bisher nicht zur Verwirkung entschieden habe, die Oberlandesgerichte Düsseldorf und Frankfurt aber eine solche Verwirkung eindeutig annehmen…..

Wer sich also mit dem Gedanken trägt, den „Widerrufs-Joker“ auszuüben, sollte dies bis spätestens  Juni 2016 angehen und den Widerruf bis spätestens zum 21.6.2016 gegenüber der finanzierenden Bank ausgeübt haben.

Angesichts der Strategie der Banken gehe ich davon aus, dass  es auch bis zum 21.6.2016 kein Urteil des BGH geben wird. Sollte bis dahin vom BGH noch eine weitere mündliche Verhandlung angesetzt werden, wird die Revision dem Verbraucher entweder erneut „abgekauft“ oder die eigene Revision kurz vor dem Termin zurückgenommen werden.

Aus Bankensicht mag dieses auch verständlich sein, droht doch ein milliardenschwerer Schaden.

Dies wird an dem Beispiel der Vorfälligkeitsentschädigung deutlich. Die Vorfälligkeitsentschädigung wird gemäß § 502 BGB  dann fällig, wenn der mit langer Zinsbindungsfrist abgeschlossene  Darlehensvertrag (fast alle Immobilienfinanzierungsverträge sind so ausgestaltet) vorzeitig abgelöst wird.

Dies passiert häufig, etwa bei einem vorzeitigen Verkauf der Immobilie wegen Scheidung, Erbauseinandersetzung oder sonstigen Gründen. Bei einer Darlehenssumme von 100.000,- €, geringer Tilgung und hoher Restlaufzeit, sowie Zinsen von 5% jährlich kann da schnell ein Betrag von circa 4.000,- € pro Jahr (und für jedes weitere Jahr  der vorzeitigen Ablösung absteigend berechnet) zusammenkommen, bei höheren Darlehensbeträgen entsprechend mehr. In der Regel bewegen sich Vorfälligkeitsentschädigungen bei Verbrauchern zwischen 1.000-30.000 €. Für die folgende Beispielrechnung nehmen wir ein Mittel von 15.000,- € pro Vorfälligkeitsentschädigung an.

Wenn man jetzt annimmt, dass eine Bank, etwa die örtliche Sparkasse,  in einem mittelgroßen Ort pro Jahr 1000 Immobiliendarlehensverträge abschließt und nur 5% der Immobiliendarlehensverträge pro Jahr  vorzeitig beendet werden, ist man bei  jährlichen Vorfälligkeitsentschädigungen in Höhe von 50 x 15.000= 750.000,- €. Auf den Zeitraum 2003 bis Ende 2010 (zu diesem Zeitpunkt wurden die meisten der falschen Widerrufsbelehrungen geändert) berechnet bedeutet dies einen Umsatz für die kleine mittelständische Sparkasse von circa 6.000.000,- €. Dabei  ist das  nur die kleine Sparkasse nebenan, hochgerechnet auf alle Banken sind die Umsätze mit Vorfälligkeitsentschädigungen  in diesen 8 Jahren  bestimmt im zweistelligen Milliardenbereich. Entscheidet nun der BGH noch vor dem 21.6.2016 zu Gunsten der Verbraucher, und nehmen nur 10% der damaligen Darlehensnehmer  ihr Widerrufsrecht noch nachträglich war, bedeutet dies immer noch einen Milliardenverlust für die Banken.

Schaffen es die Banken  jedoch, ein solches höchstrichterliches Urteil bis nach den 21.6.2016 hinaus zu zögern, ist der Verbraucher auf Grund der Gesetzeslage von dem ursprünglichen Widerrufsrecht „abgeschnitten“. Die Banken müssen dann nur noch die „Altfälle“ also die bis zum 21.6.2016 eingegangenen Widerrufe bearbeiten.

Auf Grund der unsicheren Rechtslage, den bei derartigen Streitwerten  erhöhten Prozesskostenrisiko (das bei einem Streitwert von 15.000,- € und 2 Instanzen immerhin 10.345,30 € beträgt) und der meist fehlenden Deckung der Rechtsschutzversicherung (die sich immer auf den Ausschlußtatbestand „Finanzierung von Immobilien“ berufen wird) wird bis zum 21.6.2016 lediglich ein verschwindend  geringer Teil der ehemaligen Darlehensnehmer über einen Widerruf nachdenken.

Allerdings besteht besonders  für ehemalige Darlehensnehmer die Möglichkeit , sich alle Optionen offen zu halten. Hierfür sollte die damalige Widerrufsbelehrung des Darlehensvertrages von einem Fachmann (Verbraucherzentrale, Rechtsanwälte) überprüft werden. Ist die Widerrufsbelehrung falsch, sollte in jedem Fall der Widerruf gegenüber der Bank noch ausgeübt werden. Entscheidet der BGH   nach dem 21.6.2016 zu Gunsten der Verbraucher, können diejenigen, die vorher ihr Widerspruchsrecht ausgeübt haben, ihre Rechte auf Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung noch geltend machen. Die Fälle aus dem Bereich der Bearbeitungsgebühren zeigen, dass eine Verjährung dieser Ansprüche erst mit den ersten obergerichtlichen Entscheidungen zum Widerrufsjoker beginnt (siehe zur Verjährung von Rückforderungsansprüchen von Bearbeitungsentgeld BGH Urteil vom 28.10.2014 AZ: XI ZR 17/14).

Ein vorsorglich erhobener Widerspruch bis zum 21.6.2016 kostet daher nur eine Beratungsgebühr bei der Verbraucherzentrale oder dem  Rechtsanwalt.

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Die Kanzlei Mielke Koy Butenberg berät  Sie auch in allen Fragen des Bankenrechts.

Günther Koy

Und schon wieder sind die Banken einem BGH-Urteil aus dem Weg gegangen…..

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