Das Amtsgericht München hat am 16.11.2011 eine interessante Pressemitteilung herausgegeben, die die Law-Blogging-Welt (siehe hier, hier, hier und hier) und andere Foren (etwa die Anwalts-Mailing Liste (als geschlossenes Forum) in Wallung gesetzt hat. Die Kollegen haben die Pressemitteilung bereits in alle Einzelheiten zerlegt und deren für ein Gericht doch seltsame Formulierungen und Rechtsgrundlagen seziert und treffend kommentiert.
Ehrlich gesagt frage ich mich in der Zwischenzeit, warum das AG München so begeistert in das Horn der Abmahner trötet ?
Das AG München ist bundesweit nach meiner Erfahrung das Lieblingsgericht aller Filesharingabmahner. Wenn denn geklagt wird, dann hier. Auch ich betreue eine nicht gerade kleine, dreistellige Anzahl von Abgemahnten, und insgesamt gab es tatsächlich in den letzten Jahren erst eine (!) Klage und die wurde natürlich vor dem AG München erhoben. Und das nicht von den bekannten Rechtsanwälten von „WF“ sondern einem der „Pornokanzleien“, die mit der Klage noch zusätzlich auf den „Schäm-Faktor“ setzen. Es braucht schon ein gewisses Selbstbewußtsein um sich vor Gericht gewgen den Vorwurf des Downloads von anzüglichen Titeln zu rechtfertigen. Dazu war es in diesem Fall so, dass ich erst nach Klagerhebung zugezogen wurde. Offensichtlich werden mit besonderer Vorliebe diejenigen verklagt, die keine anwaltliche Vertretung haben – aber das nur so am Rande.
Jedenfalls wurde der Fall relativ schnell abgehandelt, nach einer fundierten Klageerwiederung meinerseits kam der Anruf vom Gericht, ob man sich nicht vergleichen wolle, der Vorschlag war Zahlung der Anwaltsgebühren auf Streitwert 10.000,-€ Verzicht auf „Schadensersatz“ seitens der Klägerin, Kosten 40% für die Klägerin 60% für meine Partei . Argumentiert wurde seitens des Gerichts dahingehend, dass die Anwaltsgebühren beim AG München „immer“ durchgehen würde, der Schadensersatz aber so gut wie nie, da die Anwaltsgebühren auf der Störerhaftung des Anschlussinhabers beruhen würde, für den Schadensersatz aber die Täterhaftung erforderlich sei, diese aber mit der üblichen Dokumentation der Verletzung nicht zu begründen sei. Wenn man streitig verhandeln würde und das Bestreiten seitens der Beklagten aufrecht erhalten würde, käme man um ein sehr teures Sachverständigengutachten nicht herum. Angesichts des Risikos eines Sachverständigengutachtens und der damit verbundenen Kosten knickte meine Partei angesichts des Kostenrisikos und der Verhältnismäßigkeit zu den geforderten Beträgen ein. Der Vergleich wurde dann nur noch protokolliert, insgesamt für das Gericht eine „schnelle Nummer“.
Ich hatte den Eindruck dass die oben beschriebene Vorgehensweise (insbesondere mit der telefonischen Vergleichswerbung) für das Gericht nichts ungewöhnliches war und dies seitens des AG München schon öfters durchexerziert wurde.
Dies bringt mich zu meiner Vermutung für die Motivlage der oben genannten Pressemitteilung. Denn diese Pressemitteilung liest sich ja wie eine Werbeanzeige für alle Filesharingabmahner:
„Liebe Abmahner kommt zu uns, denn hier gibt´s kaum Probleme„.
Richter und Gerichte werden an Ihren Erledigungszahlen gemessen. Ist die Erledigungszahl hoch winkt die Beförderung. Bei vielen Verfahren mit entsprechenden Vergleichen schießen diese Erledigungszahlen für den Richter nach oben ohne dass er entsprechende Urteile schreiben muss. Und bei einer schnellen vergleichsweisen Erledigung dieser Verfahren (besonders wenn es viele Verfahren sind) verkürzt sich auch die statistische Aktendurchlaufzeit für alle Verfahren vor dem Gericht. Das Gericht steht somit als „besonders Effizient“ dar. Angesichts der fast immer fehlenden Deckungszusage der Rechtsschutzversicherungen (Urheberrecht ist so gut wie immer in den ARB ausgeschlossen) und der Unverhältnismäßigkeit von Gutachtenkosten zu eingeklagter Forderung wird meiner Einschätzung nach mindestens jeder 2 Fall in diesen Filesharingverfahren mit einem Vergleich enden. Eine schöne Sache für das AG München.
So kann man auch ein bisschen Werbung für die eigene Tätigkeit machen.
Wobei von einer Klagewelle wohl nicht die Rede sein kann, 1400 Klagen der Abmahner beim Lieblingsgericht der Abmahner angesichts einer Zahl von mindestens hunderttausend Abmahnungen aus dem Jahre 2008 die zum 31.12.2011 in die Verjährung laufen erscheint mir noch nicht als „Klagewelle“.
allein die inhaltlichen Fehler in der PM und die Polemik der Sprache sind unter der würde eines Gerichts. Ich habe auf unserer Homepage auch einmal ein paar Gedanken dazu aufgeschrieben.
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Wäre es da nicht sinnvoll, wenn man im Falle der drohenden Klage (nachdem modifizierte UE abgegeben wurde) und es noch um Abmahnkosten / Schadensersatz geht, das AG München zu meiden, etwa indem man vor Erhebung der Klage durch die Abmahner selbst negative Feststellungsklage vor einem neutraleren Gericht erhebt, welches nicht mit Textbausteinen arbeitet und die einzelnen Verfahren durchdenkt `?
Wenn es dem Mandanten darauf ankommt seine fehlende Täter/Störereigenschaft nachzuweisen haben Sie völlig recht. Da die Rechtevertreter allerdings nur in einem im Verhältnis zu den Abmahnungen äußerst geringen Umfang klagen hoffen eben alle, dass der Kelch an Ihnen vorübergeht. Bei einer negativen Feststellungsklage muss der Abgemahnte ja mit den Gerichtskosten in Vorleistung gehen. DAs scheuen dann die allermeisten, da auch Rechtsschutzversicherungen im grünen Bereich keinen Deckungsschutz geben. Wäre das anders hätte es bestimmt schon haufenweise negative Feststellungsklagen gegen die Rechteinhaber gegeben.