Als Anwalt besuchen einen häufig Mandanten mit einem Vollstreckungsbescheid, einer Klageschrift oder einem Strafbefehl in der Hand. Schon nach kurzer Zeit ist dabei festzustellen, dass die ganze Angelegenheit bereits früher und vor allem kostengünstiger hätte gelöst werden können, aber durch die Untätigkeit des Mandanten oder dessen „Vogel-Strauss-Taktik“ die Sache erst richtig ins Rollen kam.
Vor kurzem aber hatte ich den ersten Fall, in dem die Vogel-Strauss-Taktik dem Mandanten einen Vorteil einbrachte.
Was war passiert?
Dem Mandanten, einem Berufskraftfahrer, wurde vorgeworfen eine Fahrerflucht (§ 142 StGB) begangen zu haben. Einziges Beweismittel der Staatsanwaltschaft war eine Knallzeugin, die meinte ein Kennzeichen und einen männlichen Fahrer in der Dunkelheit erkannt zu haben. Darüber hinaus fand sich in der Ermittlungsakte die Angabe eines Mitbewohners, dass das Fahrzeug auf den Mandanten zugelassen war. Eine Untersuchung von Unfallauto oder dem Fahrzeug des Mandanten erfolgte nicht, eine Wahllichtbildvorlage an die Zeugin ebenfalls nicht.
Insgesamt also ein etwas dürftiger Tatvorwurf, der mindestens erhebliche weitere Ermittlungen erfordert. Der Mandant wurde zur Vernehmung geladen und reagierte mit der bekannten „Vogel-Strauss-Taktik“, also antwortete nicht, ging nicht zur Vernehmung und hoffte, dass die Gefahr vorüberziehen würde.
Die Polizei machte daraufhin ihren Abschlussbericht und gab die Akte an die Staatsanwaltschaft. Diese beantragte – aus meiner Sicht eher überraschend angesichts der mageren Ermittlungsergebnisse – einen Strafbefehl beim Amtsgericht. Mit diesem Stand der Mandant dann bei mir vor der Tür.
Erwartungsgemäß konnte die Zeugin nicht bestätigen, dass mein Mandant der Fahrer war, und so wurde mein Mandant nach kurzer Verhandlung freigesprochen.
Was war nun der Unterschied zu anderen Verfahren ?
Durch die „Vogel-Strauss-Taktik“ hat der Mandant einen Kostenvorteil. Hätte sich der Mandant bereits im Ermittlungsverfahren bei mir gemeldet, wäre das Verfahren bei gleicher Beweislage höchstwahrscheinlich von der Staatsanwaltschaft nach § 153 Abs 1 StPO oder § 170 Abs 2 StPO eingestellt worden. Nachteil einer solchen Einstellung ist – soweit der Führerschein nicht beschlagnahmt wurde oder der Beschuldigte in Untersuchungshaft war – die fehlende Kostenerstattung der Rechtsanwaltskosten. Der Mandant wäre also durch die Einstellung im Ermittlungsverfahren auf den Anwaltskosten sitzen geblieben. Durch den Freispruch im Gerichtsverfahren trägt nun die Staatsanwaltschaft meine Kosten (wobei man immer die dunkle Macht der Kostenbeamten besiegen muss, aber das ist eine andere Geschichte….) , so dass der Mandant durch seine Untätigkeitim Endeffekt einen Kostenvorteil hat.
Glück gehabt.
Ich weise aber darauf hin, dass ein derartiges Verhalten kein Vorbild sein kann, denn es geht zumeist nach hinten los. Und eine Verurteilung ist schwieriger aus der Welt zu schaffen als ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft.