Der Spiegel, die Bild und andere Presseorgane sowie Blogs berichten heute über ein Urteil des OLG Köln vom 23.12.2009, wonach eine Mutter für Urheberrechtsverletzungen über den auf sie angemeldeten Internetanschluss haftet, wenn die letzliche Täterschaft nicht festgestellt werden kann. Wenn man die Pressemeldung des Gerichts liest, ist das eigentlich nichts weltbewegend Neues, in vergleichbaren Urteilen zum offenen W-Lan wird diese „Halterhaftung“ – jurstisch „Störerhaftung“ genannt – auch schon von vielen Gerichten, auch OLGs statuiert. Was mich ein wenig stört ist die Berichterstattung der nicht juristischen Presse, die mit den entsprechenden Überschriften die von den Filesharingabmahnern aufgebaute Drohkulisse stützt:
„Internetanschluss-Inhaber haften für alle Downloads im Haushalt“ – Bild.de (und viele andere nach Pressemeldung)
„Bei Internet-Anschlüssen gilt die Halter-Haftung“ – Spiegel.de
Durch die Darstellung wird suggeriert, dass generell eine Art „Halter-Haftung“ unabhängig vom tatsächlichen Sachverhalt besteht. Dies wird bestimmt im Textbaustein der nächsten Filesharingabmahnung auftauchen. Nach den Ausführungen der amtlichen Pressemitteilung wurde aber das Urteil ausgesprochen, weil die Beklagte nicht substantiieren konnte, wie Sie Ihrer Aufsichtspflicht für die geschaffene Gefahrenlage „Internetanschluss“ nachgekommen ist. Und hier liegt des Pudels Kern, sowohl in dieser Entscheidung wie auch in vielen anderen alten und noch kommenden Entscheidungen. Gibt es überhaupt eine „Aufsichtspflicht“ für Internetzugänge ? Sollte es diese Pflicht geben ? Das Urteil des OLG Köln wie auch die vorher ergangenen Urteile der anderen Gerichte sagen im Kern aus, dass ein Internetanschluss eine potentielle „Gefahrenlage“ mit sich bringe, nämlich die Gefahr der Urheberrechtsverletzung. Diese Gefahr muss der Anschlussinhaber nun „kontrollieren“, durch entsprechende Hinweise, Schutzvorrichtungen oder sonstige Maßnahmen. Welche Prüfung noch zumutbar ist kann den Urteilen nur im Bereich der W-Lans grob entnommen werden, dort wird ausgeführt, dass der Anschluss „verschlüsselt“ sein muss (Ob die bereits geknackte WEP Verschlüsselung demnächst auch unter die Prüfpflichten fällt bleibt abzuwarten…). Ansonsten wird derjenige, der seinen Anschluss auch anderen zur Verfügung stellt, von den Gerichten im Unklaren gelassen. Hier und da wird von einer Firewall gesprochen, von eingeschränkten Benutzerrechten räsoniert oder auch die regelmäßige Belehrung gefordert.Spannend ist dabei das erstinstanzliche Urteil des LG Köln (28 O 889/08) zu lesen, das folgende „Vorschläge“ macht:
Des Weiteren wäre auch die Einrichtung einer sog. „firewall“, die ein Download von Daten aus dem Computer der Beklagten verhindert hätte, möglich und zumutbar gewesen (vgl. auch LG Hamburg ZUM 2006, 661). Soweit die Beklagte nunmehr mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vorträgt, dass eine „firewall“ installiert gewesen sei und auch Benutzerkonten eingerichtet gewesen seien, führt dies – unabhängig davon, dass der Vortrag nach der mündlichen Verhandlung erfolgt und daher unbeachtlich bleiben muss – zu keinem anderen Ergebnis. Denn aus dem Vortrag ist nicht ersichtlich, dass die Benutzerkonten lediglich mit eingeschränkten Rechten eingerichtet wurden oder die Firewall auch die Downloadvorgänge hätte verhindern können. Hierzu fehlt vielmehr jeglicher Vortrag. Auch andere technische Möglichkeiten, wie die Nutzung bestimmter Modems, setzte die Beklagte nicht ein.
Ähnlich wie schon bei den Urteilen „Internetversteigerung I-III“ des BGH wird die Ausformung der Prüfpflichten nicht klar definiert, sie soll eben zumutbar sein. Was uns zurück zu dem Urteil des OLG Köln und des LG Köln bringt. Ist es zumutbar für eine Mutter mehrerer Kinder eine Firewall einzurichten ? Wieviel „Normalinternetuser“ können die von den Tauschbörsen üblicherweise genutzten Ports mittels einer Firewall sperren ? Oder auch nur Benutzerrechte einrichten ? Ich vermute sehr wenige. Ist es dann einer Mutter zuzumuten die Dienste von entsprechenden – kostenpflichtigen – Experten einzuholen ? Und es stellt sich die Frage ob diese Sperren von dem Fachmann regelmäßig überprüft werden müssen, da diese „Sperren“ von den PC-begeisterten Kids innerhalb von einigen Minuten umgangen werden können. Ist das zumutbar ? Oder darf ein Anschlussinhaber seinen Kindern/Mitbewohnern grundsätzlich nicht mehr den Anschluss zur Verfügung stellen ?
Insgesamt ist also festzustellen, dass das Thema noch lange nicht geklärt ist, und der Satz „Bei Internet-Anschlüssen gilt die Halterhaftung“ nicht richtig ist, denn er müsste heißen „Der Anschlussinhaber muss seinen Anschluss „irgendwie“ überprüfen um nicht zu haften“. Wenn das „Irgendwie“ geklärt ist, könnte auch die Industrie reagieren und entsprechende Router bauen, die schon von vorneherein die Möglichkeit der Tauschbörsennutzung ausschließen. Ein „Kinder/Ehemann/Mitbewohner-sicherer“ Router mit eingebauter P2P-Firewall. Wäre bestimmt ein Verkaufsschlager. Ob ein Gericht das als ausreichend für die Prüfpflichten ansehen würde ? Spannend.
Eine Anmerkung am Schluss: Das Urteil war trotz der für die Abmahner vorteilhaften Presseüberschriften eher ein Schuss in den Ofen, wie man beim aufmerksamen Lesen des Terminberichts des Kollegen Solmecke feststellen kann: Der angesetzte Streitwert wurde vom OLG zusammengekürzt, und auch die Berechnungsmethode der Gebühren wurde widerlegt. Statt circa 5000 € gibts nur knapp die Hälfte. Auch nicht schön für den Abgemahnten, aber eben doch ein Erfolg. Und die Ansicht des OLG Köln zu 30,- € pro Song als Lizenzanalogie ist für die Zukunft auch ein sehr interessanter Ansatz, da die Abmahner durchaus höhere Werte als Lizenzanalogie heranziehen.
Die erfolgsaussichten einer Verteidigung gegen eine Filesharingabmahnung sind durch das Urteil des OLG Köln nicht weniger geworden, es kommt, wie eben auch in dem besprochenen Fall des OLG Köln, auf die Umstände an.
Danke für den Link auf die Zusammenfassung des Kollegen Solmecke. Die relativiert das Ganze dann doch ein wenig (erheblich).
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