Im Internet findet man in Foren und anderen dubiosen Quellen tausende Hinweise, was man denn machen soll, wenn es zu einer sogenannten File-Sharing-Abmahnung kommt. Die Hinweise sind manchmal seltsam, machmal falsch und machmal richtig. (Wie man diese Hinweise einschätzen sollte hat der Kollege Dr Damm hier gut erkärt) Aber es sind eben Foren, da sollte man sich auf die Tipps der mehr oder minder Ahnungslosen nicht unbedingt verlassen, sondern bei Unsicherheit eher eine fachkundigen Ratschlag durch spezialisierte Kanzleien einholen, auch wenn das eben Geld kostet. Aber lieber vorher etwas Geld für eine Beratung investiert als Hinterher viel Geld für ein Gerichtsverfahren zu zahlen.
Eben fällt mir aber eine hochwertige bunte Broschüre der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz aus Hamburg mit offensichtlich hoher Auflage und der Zielrichtung „Schüler“ in die Hand. Was man in dieser „staatlichen“ Broschüre liest, lässt jeden Troll-Foren-Hinweis in sanftem Licht erscheinen:
Unter dem Stichwort „File-Sharing“ ist dort zu lesen:
„Für file-sharing benötigst du eine spezielle Software. Dieses Programm erlaubt anderen Nutzern den Zugriff auf ausgewählte
Bereiche deines Rechners und die Benutzung der dort abgelegten Dateien (z.B.: Anhören von dort abgelegten Musikstücken). Im Gegenzug hast du die Möglichkeit dir Dateien (z.B. Filme) auf anderen Rechnern anzuschauen. Beim file-sharing werden keine Kopien erstellt.
Das gegenseitige Teilen von Rechnerkapazitäten hat dem Ganzen seinen Namen gegeben.
Gefahr: Du öffnest deinen Rechner für Außenstehende und solltest zur Sicherung deiner persönlichen, nicht freigegebenen Dateien, für eine sehr hohe Sicherheitsbarriere sorgen.“
Oh…Oh…., da hat jemand den unterschied zwischen „Dateifreigabe“ und dem „File-Sharing“ im tatsächlichen Sinne nicht wirklich verstanden.
Aber es wird noch besser, denn direkt danach kommt die Definition der „Tauschbörsen“:
Bei einer Tauschbörse musst du Dateien hineingeben, um welche herausnehmen zu können. Das
beinhaltet der Begriff „Tauschen“.Gegen das Tauschen von selbst erstellten Bildern oder Musikstücken gegen die Werke eines anderen Künstlers spricht nichts. Bei dem Tausch fremder Dateien ist die Gefahr einer Abmahnung jedoch sehr groß. Grund hierfür ist zum einen der
sehr lockere Umgang der Teilnehmer mit Urheberrechte und zum anderen die sehr einfache Überwachung von Tauschbörsen darauf.
Hinweis:
Gerade die Musikindustrie überwacht diese Tauschbörsen. Auch das Herunterladen für private
Zwecke hat schon zu Abmahnungen mit hohen finanziellen Forderungen geführt.
Die Erläuternug von File-Sharing war schon schlimm, aber die Erläuterung der Tauschbörse ist noch schlimmer. Weiß Cornelia Prüfer-Storcks was Ihre Behörde da verbrochen hat ?
Zur Klarstellung:
Unter Filesharing versteht man im allgemeinen die Weitergabe von Dateien durch ein P2P-Netzwerk, einen Sharehoster oder eben über die Freigabe der Dateien per Remote, etwa als FTP-Server. Diese Freigabe von Dateien kann sehr wohl zu einem urheberrechtswidrigen Verbreiten der Dateien führen. Die Angabe der Behörde „Beim Filesharing werden keine Kopien erstellt“ ist damit inhaltlich nicht ganz richtig, denn derjenige, der die Dateien verfügbar macht, erstellt zwar selber keine Kopie, aber diejenigen die die Datei dann kopieren nutzen die Möglichkeit der Kopie. Diese Nutzungsart ist seit mehreren Jahren unter dem Namen der „öffentlichen Zugänglichmachung“ in § 19a UrhG geregelt. Wer also anderen die Möglichkeit der „öffentlichen Zugänglichmachung“ gewährt, ohne dafür die entsprechenden Rechte seitens des Urhebers oder des Nutzungsberechtigten zu haben, handelt ohne weiteres rechtswidrig im Sinne des § 97 UrhG.
Eine Abmahnung wegen einer derartigen Tätigkeit kann also jederzeit erfolgen, auch wenn das Infoblättchen der Bürgerschaft etwas anderes suggeriert. Offensichtlich hat der Autor des Infoheftes hier die Nutzungsformen „Streaming“ (auf die die Beschreibungen des Infoheftes eher zutreffen) und „File-Sharing“ nicht unterscheiden können. Ein Armutszeugnis für die Behörde.
Die Erläuterung der Tauschbörse scheint auf jeden Fall von jemanden der Ü-50 Generation erstellt worden zu sein, das zeigt der erste Satz:
„Bei einer Tauschbörse musst du Dateien hineingeben, um welche herausnehmen zu können“
Wie bitte ? Ich kenne keinen File-Sharing Dienst (bezeichnet sich irgendein P2P-Netzwerk als „Tauschbörse“ im engeren Sinne ?) der zwingend einen Upload erfordert. Es gab in den jeweiligen Netzwerken wie Napster oder Kazaa oft die Forderung, das sogenannte „Leecher“ ausgeschlossen werden, allerdings ist dies durch die moderne P2P-Technik hinfällig geworden. Sobald ein Client die angeforderte Datei herunterlädt, stellt er in der gleichen Sekunde die heruntergeladenen Datenpakete wiederum für Dritte zum Download zur Verfügung, ohne dass der Downloader etwas dagegen „machen“ kann. Nur so kann die erhebliche Downloadgeschwindigkeit gewährleistet werden, da man die Daten von vielen verschiedenen Quellen – die eventuell selber noch die Datei „saugen“ – gleichzeitig herunterlädt.
Das ist auch der Ansatzpunkt für alle File-Sharing-Abmahnungen der üblichen Netzwerke wie Bittorrent und ähnliche , denn es wird nicht der Download abgemahnt (dieser ist nämlich rechtlich noch sehr umstritten – was in der Broschüre ebenfalls falsch dargestellt wird) sondern der Upload, das öffentliche zur Verfügung stellen (§ 19a UrhG) wird abgemahnt.
Daher ist die Darstellung der Behörde, dass nur wenn man aktiv „tauscht“ eine Abmahnung zu befürchten ist, UNSINN.
Noch schlimmer wird es im nächsten Satz:
„Gegen das Tauschen von selbst erstellten Bildern oder Musikstücken gegen die Werke eines anderen Künstlers spricht nichts„
Hier hilft nur noch die (englische) Internet-Abkürzung:
„WTF???!!!!“
Nach der Auslegung der Freien und Hansestadt Hamburg könnte man also die eigenen Fotos des letzten Ausflugs an den Osterbek Kanal problemlos gegen das neue Album von Madonna tauschen ???? Wohl kaum…..
Ein Tausch ist generell nur möglich, wenn beide Parteien rechtlich dazu berechtigt sind und sich über den Tausch der Nutzungsrechte einig sind. Bei einem Computerprogramm kann wohl kaum davon die Rede sein. Ich kann nur die Ausflugsbilder gegen die selbst gemachten Bilder eines anderen Tauschbörsenteilnehmers tauschen, die Nutzung des Begriffs „anderer Künstler“ suggeriert aber, dass ich das mit jeder verfügbaren Datei, unabhängig von den Rechten, machen kann.
Auch hier hat die „Belehrung“ der Behörde mit der rechtlichen Realität wenig zu tun. Ich bin fassungslos…..
Man fragt sich, warum derartige Broschüren nicht von einem Fachmann überprüft werden, denn dann wären diese schlicht falschen Informationen nicht in tausendfacher Auflage an den Schulen in Hamburg verteilt worden. Wobei der Fachmann nicht einmal unbedingt ein Jurist ein müsste, ein kurzer Blick in Wikipedia hätte den Unsinn entlarvt.
Ich weiss nicht, wieviel tausend Euro für diese fehlerhaften Informationen in den Sand gesetzt wurden und wieviel Schaden dieses Heft verursacht („Ey, in dem Heft steht ich darf des mit dem Filesharing Herr Richter“).
Ich weiss nur, dass ein sachkundiger Blick dies in 5 Minuten hätte verhindern können.
Nicht nur Einzelpersonen und Unternehmer sollten daher vor solchen Aktionen eine anwaltliche Beratung in Anspruch nehmen, sondern auch Landesbehörden.
“Gegen das Tauschen von selbst erstellten Bildern oder Musikstücken gegen die Werke eines anderen Künstlers spricht nichts“
Das haben Sie wahrscheinlich mißverstanden. Mit „Werke eines anderen Künstlers“ ist ziemlich sicher nicht Madonna, sondern derjenige gemeint, mit dem man tauscht. Und da dann beide ihre eigenen Werke miteinander tauschen, ist das völlig legal.
Um das Mißverständnis geht es mir aber. Dass die Behörde es wohl anders meinte ist mir auch klar. Aber man kann doch nicht in einer Broschüre, die sich an Schüler richtet ernsthaft das Wort „Künstler“ benutzen. Da kommt das Mißverständnis doch zwangsläufig auf. Hier muss man eindeutig formulieren, da Schüler die Hauptnutzer derartiger Programme sind. Die Formulierung
„Das Tauschen selbst erstellter Bilder oder Musikstücke mit den vom Tauschpartner selbst erstellten Bildern und Musikstücken ist zulässig, das Tauschen von Dateien, für die der Tauschpartner keine Verbreitungsrechte hat (wie selber gekaufte CDs, DVDS etc) jedoch nicht“
wäre da viel besser gewesen. Man sollte meinen, dass bei solchen Broschüren, die hunderttausendfach verteilt werden und einige Tausend Euro kosten, eine genaue Redaktion erfolgt.
Ich habe Ihre Teil-Rezension der Broschüre der Hamburger Behörde zum Lesen empfohlen und eine Abänderung der Broschüre angeregt.
Vielleicht erhalten Sie ja demnächst ein neues Beratungsmandat…
MfkG,
RA Runge-Yu