Nachdem der BGH letztes Jahr die Bearbeitungsgebühren „kassiert“ hatte, haben sich die Banken bei dem kritischem Thema Vorfälligkeitsentschädigung und Widerruf von Darlehensverträgen offenkundig eine andere Strategie zugelegt. Diese Strategie lässt sich mit einfachen Worten umschreiben:“Kämpfen bis zum OLG – beim BGH einknicken und das Problem über die Gesetzgebung lösen“
Inhaltlich geht es um folgendes Problem:
Gemäß § 495 BGB sind die Banken verpflichtet, bei Verbraucherdarlehensverträgen den Verbraucher über die Möglichkeit des Widerrufs zu informieren. Diese Widerrufsbelehrung – welche als Musterbelehrung vorlag – wurde von vielen Banken insbesondere im Zeitraum 2000-2010 verändert. Der BGH hatte dann aber – Anfangs im Bankenbereich wenig beachtet – mit Urteil vom 1.10.2010, AZ VIII ZR 82/10 – festgestellt, dass insbesondere die Formulierung aus der Musterbelehrung „Die Frist beginnt frühstens mit Erhalt dieser Belehrung“ zu einer unwirksamen Belehrung führt, wenn die Musterbelehrung inhaltlich verändert wurde. Damit waren mit einem Schlage alle Darlehenswiderrufsbelehrungen die von der Musterbelehrung abwichen, unwirksam. Folge einer unwirksamen Darlehensbelehrung ist, dass das Widerrufsrecht weiterhin besteht, auch wenn die Darlehenssumme ausgezahlt wurde oder die Rückzahlung des Darlehens bereits erfolgt ist.
Angesichts der seit dem Jahre 2000 kontinuierlich fallenden Zinsen, insbesondere für Hypothekendarlehen, sind die Banken nun in Schwierigkeiten, da einerseits die Verbraucher durch einen einfachen Widerruf die meist langfristig abgeschlossenen Zinsbindungen aufheben und zu wesentlich günstigeren Konditionen einen neuen Darlehensvertrag mit einer anderen Bank abschließen können (sogenannter Widerrufs-Joker) und andererseits bei bereits vorzeitig beendeten Verträgen – etwa bei einem Hausverkauf – unter bestimmten Umständen die Vorfälligkeitsentschädigung zurückverlangen können.
Anders als bei den Bearbeitungsgebühren, die sich meist im niedrigen 3-4 stelligen Euro-Bereich bewegten, können hier schnell 5 stellige Euro-Beträge pro Vertrag erreicht werden. Ein Milliardenrisiko für die Banken, insbesondere wenn der Bundesgerichtshof eine für die Instanzgerichte bindende Entscheidung fällt.
Die Banken haben sich also dazu entschieden, in den meisten Fällen einen Widerruf des Darlehensvertrages nicht zu akzeptieren. Meist wird damit argumentiert, dass einerseits ein Vertrauensschutz hinsichtlich der Musterwiderrufsbelehrung besteht, die auch kleine Änderungen mit umfasst, andererseits das Widerrufsrecht nach mehreren Jahren und insbesondere nach Beendigung und Rückzahlung des Darlehens verwirkt sei. Auch sei die Ausübung des Widerrufrechts zum Zwecke der Zinsersparnis rechtsmißbräuchlich.
In den vergangenen Jahren gab es daher nun in vielen OLG Bezirken Gerichtsverfahren über 2 Instanzen zu der oben genannten Problematik. Wie es in der Juristerei nun mal so ist kam es trotz ähnlicher Sachverhalte zu verschiedensten Entscheidungen der Landes- und Oberlandesgerichte. Einige hielten eine Verwirkung für gegeben (etwa Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg AZ: 13 U 73/13) andere nicht (etwa OLG Stuttgart AZ 17 U 202/14). Die Revision zum BGH wurde in den meisten Fällen zugelassen.
Die erste Verhandlung zu der Problematik stand beim BGH am 23.6.2015 an (AZ XI ZR 154/14), es wurde erwartet, dass der BGH das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts kippt und eine Grundsatzentscheidung zu dem Haupteinwand der Banken, der Verwirkung des Widerrufrechts, fällt. Überraschenderweise zog der Verbraucher kurz vor der mündlichen Verhandlung die Revision zurück, da er sich mit der Bank geeinigt hatte. Das Angebot der Bank muss sehr gut gewesen sein, hatten doch im vorhinein andere, mit ähnlichen Verfahren befasste Anwälte angeboten, das Prozesskostenrisiko der Revision zu übernehmen. Hier haben die Banken eine erste Entscheidung des BGH verhindert.
Am 15.12.2015 stand nun wiederum eine BGH Entscheidung an (BGH, AZ: XI ZR 180/15), wiederum ging es um die Verwirkung von Widerrufsrechten auf Grund einer Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts (Az 13 U 87/14). Und auch hier kam kurz vor dem Termin die Mitteilung, dass sich die Parteien geeinigt hätten und der Revisionsführer – der Verbraucher – die Revision zurückgenommen hat.
Beide Vergleiche zeigen deutlich, dass die Bank, die in den Vorinstanzen Erfolg hatte, eine abweichende Entscheidung des BGH fürchtete.
Allerdings erscheint es so, dass Angesichts der Vielzahl der weiter zugelassenen Revisionen es nur eine Frage der Zeit ist, bis der BGH über die offenen Fragen entscheidet. Die Verjährung zumindest der Ansprüche auf Erstattung der Vorfälligkeitsentschädigung dürfte im Falle einer Entscheidung des BGH im Sinne der Verbraucher auch nach hinten verschoben werden (siehe dazu den Beitrag zum Thema Bearbeitungsgebühr).
Ist die Strategie der Banken also nur eine Verschiebung der Risiken auf einen späteren Zeitraum ??
Offensichtlich nicht, den die Lobbyisten haben im Hintergrund gute Arbeit geleistet. Es gibt einen aktuellen Regierungsentwurf zur „Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie„. Dort wird für § 495 BGB geregelt, dass zukünftig das Widerrufsrecht spätestens 1 Jahr und 14 Tage nach Abschluss des Darlehensvertrages erlischt.
Das bisher unbegrenzte Widerrufsrecht für Altverträge soll nach diesem Entwurf zum 21.6.2016 enden.
Die Banken müssen also nur ein BGH Urteil bis zum 21.6.2016 verhindern (obwohl diese Regelung im Gesetzgebungsverfahren kritisiert wurde siehe Gutachten Prof Knops). Das bedeutet für die Banken nur noch 2-3 Vergleiche, danach müssen Sie nur noch die bis dahin erfolgten Widerrufe „abarbeiten“. Und solange kein BGH Urteil in der Welt ist, werden erheblich weniger Verbraucher angesichts der Rechtslage ihr Widerrufsrecht ausüben.
Wer sich also mit dem Gedanken trägt, den „Widerrufs-Joker“ auszuüben, sollte dies bis spätestens Juni 2016 angehen und den Widerruf bis spätestens zum 20.6.2016 gegenüber der finanzierenden Bank ausgeübt haben.
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Die Kanzlei Mielke Koy Butenberg berät Sie auch in allen Fragen des Bankenrechts.
Günther Koy
Rechtsanwalt
siehe auch
LG Hamburg, 13. Zivilkammer, Urteil vom 15.10.2015, 313 O 39/15
Die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung genügt nicht den Anforderungen von § 355 Abs.2 BGB (a.F.), und zwar bereits auf Grund des Hinweises, dass die Widerrufsfrist „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ zu laufen beginne.