Die Kollegen vom infodocc Blog berichteten gestern über die angeblich auch unter Rechtsanwälten weit verbreitete Meinung, dass die Rechtsanwälte Rasch aus Hamburg, die vornehmlich Rechteinhaber aus der Musikindustrie vertreten, nicht klagen würden. Ich staune, dass Rechtsanwälte eine so fehlerhafte Meinung gegenüber den Mandanten äußern, denn woher sollten all die Entscheidungen zum Filesharing kommen, wenn keiner der beteiligten Rechtsanwälte klagen würde ?
Was man allerdings differenziert betrachten sollte sind die Erfolgschancen der Rechteinhaber für entsprechende Klagen. Dies kommt sicherlich immer auf den Einzelfall an, allerdings ist in letzter Zeit eine gewisse Tendenz der Gerichte festzustellen derartige Klagen nicht immer einfach „durchzuwinken“, sondern diese vielmehr bei von mehreren Personen genutzten Internetzugängen an der für Rechteinhaber äußerst schwierig nachweisbaren Schwelle des Nachweises der Täterschaft bzw Störereigenschaft abzuweisen. Insbesondere dann, wenn der Anschlussinhaber den Internetzugang auch dem Ehegatten zur Verfügung stellt:
Eine der ersten Entscheidungen dazu hat das OLG Köln bereits im März 2011 im Rahmen eines PKH-Verfahrens erlassen (siehe OLG Köln, Beschluss vom 24.3.2011 AZ: 6 W 42/11). Wesentlicher Inhalt der Entscheidung ist, dass die Tatsache der Inhaberschaft eines Internetzugangs lediglich ein Anscheinsbeweis für die Täter- bzw Störereigenschaft ist. Folge des Anscheinsbeweises ist jedoch, dass der Anschlussinhaber eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Vorgänge die in seinem Ausschließlichen Einflussbereich liegen hat. Diese sekundäre Darlegungslast ist aber dann erschüttert, wenn
„Umstände feststehen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs (Alleintäterschaft eines anderen Nutzers) ergibt. Dafür wird es regelmäßig genügen, wenn Hausgenossen des Anschlussinhabers (etwa sein Ehegatte) selbständig auf den Internetanschluss zugreifen können“ (siehe OLG Köln, Beschluss vom 24.3.2011 AZ: 6 W 42/11)
Dies bedeutet, dass sich der Anschlussinhaber hinsichtlich der Täterschaft dann entlasten kann, wenn er Nachweisen kann, dass noch ein Dritter über seinen Internetzugang Zugriff auf das Internet hatte.
Hinischtlich der Störereigenschaft des Anschlussinhabers hat sich das OLG Köln in diesem Beschluss nicht geäußert.
Das OLG Hamm hat sich in einem Beschluß vom 27.10.2011 (OLG Hamm, Beschluss vom 27.10.2011 AZ: I-22 W 82/11) der Meinung des OLG Köln hinsichtlich des Nachweises der Täterschaft angeschlossen.Das OLG Hamm führte weiter aus, dass der Anschlussinhaber im Rahmen der sekundären Darlegungslast aber keine Pflicht habe, selbständig nachzuforschen, wer die Rechtsverletzung begangen hab. Allerdings sei die Störereigenschaft des Anschlussinhabers wohl weiterhin gegeben.
Das OLG Köln ging dann in einer Entscheidung vom 16.5.2012 (OLG Köln, Urteil vom 16.5.2012, AZ: 6 U 239/11) wieder einen kleinen Schritt weiter und stellte Fest, dass auch eine Störerhaftung unter Eheleuten nicht bestehe da der Anschlussinhaber keine Pflicht hat, seinen Ehegatten ohne besonderen Anlass hinsichtlich seines „Internetverhaltens“ zu kontrollieren oder zu überprüfen:
„Die vom Internet-Anschlussinhaber seinem Ehegatten eingeräumte Möglichkeit, das Telefon oder das Internet unbeaufsichtigt für eigene Zwecke – und damit unter Umständen auch für unerlaubte Handlungen – zu nutzen, stellt kein relevantes gefahrerhöhendes Verhalten (Ingerenz) im Sinne einer Verletzung von Verkehrspflichten dar.“(OLG Köln, Urteil vom 16.5.2012, AZ: 6 U 239/11)
Allerdings wird bei dieser Entscheidung zwischen den Prüf- und Kontrollpflöichten von Eltern und Ehgegatten differenziert, grob gesagt haben Eltern nach der Ansicht des OLG Köln bei Internetzugängen eine gesteigerte Prüf- und Kontrollpflicht (siehe etwa Urteil des OLG Kön vom 23.12.2009, AZ: 6 U 101/09), Ehegatten aber nicht.
Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat sich in einer Entscheidung vom 25.5.2012 (AG Frankfurt am Main, Urteil vom 25.5.2012 AZ: 32 C 157/12) der Meinung des OLG Köln ebenfalls angeschlossen und dies sogar dahingehend minimal erweitert, dass auch Anhaltspunkte für eine vorherige Rechtsverletzung (in diesem Fall eine vorherige Abmahnugn wegen einer anderen Rechtsverletzung) unter Ehegatten keine erweiterte Prüfpflicht begründet, da der Internetanschluss zu den gemeinsamen Geschäften zur Deckung des Lebensbedarfes gehört (§ 1357 BGB) und eine Prüfpflicht des jeweils anderen damit unvereinbar ist.
In einer weiteren Entscheidung des LG Köln vom 11.9.2012 hatte das Gericht den Fall zu entscheiden, dass sowohl Kinder als auch Ehegatte mit dem Anschlussinhaber den Internetanschluss teilten (LG Köln, Urteil vom 11.9.2012 AZ: 33 O 353/11). Hier hat die Kammer ebenfalls einen Anspruch aus Täter- oder Störerhaftung verneint, da der Kläger – hier ein Computerspielhersteller – nicht nachweisen konnte, wer die Datei der Öffentlichkeit zugänglich gemacht habe. Das Gericht führte aus, dass zwar eine erhöhte Prüfpflicht gegenüber den minderjährigen Kindern bestehe, allerdings muss ein Verstoß hiergegen kausal für die Rechtsverletzung sein und dargelegt werden. Dafür ist der Kläger beweisbelastet:
Eine Störerhaftung ergibt sich auch nicht daraus, dass – anders als in dem vom OLG Köln zu entscheidenden Fall – auch die Kinder des Beklagten Zugriff auf den Internetanschluss hatten. Zwar bestehen hinsichtlich der Nutzung eines vorhandenen Internetanschlusses durch Kinder – jedenfalls, wenn diese noch minderjährig sind – Prüf- und Kontrollpflichten des Anschlussinhabers, deren Verletzung zu einer Haftung als Störer führen kann. Im vorliegenden Fall kann jedoch (…) nicht festgestellt werden, dass eine etwaige Verletzung solcher Prüfpflichten gegenüber den Kindern des Beklagten für die Urheberrechtsverletzungen kausal geworden wäre. Auch dann könnte nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass die Urheberrechtsverletzungen nicht durch die Kinder, sondern durch die Ehefrau des Beklagten – der gegenüber Prüfpflichten aber gar nicht bestanden – erfolgt wären. (LG Köln, Urteil vom 11.9.2012 AZ: 33 O 353/11)
Wenn also auch der Ehepartner theoretisch der „Täter“ sein könnte, ist eine Störerhaftung nach dem LG Köln ebenfalls zu verneinen.
Aus den oben genannten Gründen haben derzeit Familien bei möglichen Filesharing Klagen gegen den Anschlussinhaber – zumindest vor Gerichten in NRW – „gute Karten“, muss doch der Rechteinhaber die Täterschaft und/oder die Störereigenschaft nachweisen. Auch im allgemeinen sind die Erfolgsaussichten zumindest hinsichtlich der Abwehr von Schadensersatzforderungen gar nicht schlecht, da für die Begründung eines Schadensersatzanspruches die „Störereigenschaft“ nicht ausreicht.Es bleibt abzuwarten ob sich auch andere Oberlandesgerichte und der BGH sich dieser Argumentation anschließen.
Rechtsklarheit zu diesen und vielen anderen Fragen des Filesharings wird hoffentlich durch das Urteil des BGH in dem derzeit anhängigen Verfahren „I ZR 74/12“ (dessen müdliche Verhandlung morgen, am 15.11.2012 ansteht) erreicht werden.
Dann wird sich auch zeigen, ob nun tatsächlich eine Klagewelle erfolgt, wie von manchen angesichts der ausstehenden Verjährung für die Abmahnungen des Jahres 2009 befürchtet, ober ob es nur bei den Drohungen bleibt.