Vor einiger Zeit hatte ich im Rahmen des Mietrechtsblogs behauptet, dass man in Mietrechtsangelegenheiten mit einem Anwalt besser beraten ist. Heute hatte ich das zweifelhafte Vergnügen einem anderen Anwalt beim totalen Versagen zum Nachteil seines Mandanten zuzusehen.
Pünktlich zum Verhandlungstermin in einer Wohnungseigentumsangelegenheit (im folgenden als „WEG“ abgekürzt) betrat ich den Verhandlungssaal, jedoch wurde noch der vorherige Termin verhandelt. Ich mache mir gerne ein Bild von der Verhandlungsführung der jeweiligen Vorsitzenden, deshalb blieb ich im Saal, um zu erfahren wie der hiesige Vorsitzende so „tickt“.
In der Sache ging es um die Anfechtung eines WEG Beschlusses einer WEG aus September 2013.
Der Vorsitzende gab dem Kläger und seinem Rechtsanwalt gerade Hinweise hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage. Der Vorsitzende erläuterte, dass die Klage unzulässig wäre, da nicht die übrigen WEG Eigentümer oder zumindest die WEG vertreten durch den Verwalter auf Anfechtung des Beschlusses verklagt wurden, sondern ausschließlich der Verwalter der WEG ohne Benennung der WEG oder der WEG-Eigentümer. Auch wurde trotz Hinweis der Gegenseite die Eigentümerliste nicht bis zur mündlichen Verhandlung eingereicht. Im Grunde genommen erläuterte der Vorsitzende die Grundlagen der Anfechtungsklage gemäß § 46 Absatz 1 WohnungseigentumsGesetz, einer Norm, die jedem Anwalt in Wohnungseigentumsgesetzverfahren bekannt sein sollte.
Letztendlich bedeuteten die Ausführungen des Vorsitzenden – ohne dass der eigentliche Kläger es auf Grund des Juristendeutsch wirklich verstand – dass die Klage besser zurückgenommen werden sollte, da die Formalien der Anfechtung nicht eingehalten und letztendlich der Falsche, nämlich die Verwaltung, verklagt wurde (ein Fehler, der gar nicht so selten in WEG Angelegenheiten vorkommt).
Doch der Rechtsanwalt des Klägers setzte zu dieser schon vernichtenden (und theoretisch zu einem Haftungsfall führenden) Niederlage noch einen drauf: Er könne ja jetzt die Klage auf Grund der Hinweise des Gerichts im Rahmen der mündlichen Verhandlung ändern und nunmehr die Eigentümer der WEG direkt in Anspruch nehmen, eine Liste der Eigentümer hätte er derzeit zwar nicht dabei, diese würden aber bestimmt noch am selben Tag an das Gericht gefaxt werden. Der Vorsitzende fragte nach, ob der Kläger wirklich die Parteien auswechseln wolle. Der Klägervertreter bejahte dies und nahm die Klage gegen den Verwalter zurück und stellte ausdrücklich den Klageantrag gegen die restlichen sieben Wohnungseigentümer.
Der wohnungseigentumsrechtlich versierte Beklagtenanwalt reagierte – gebührenrechtlich gesehen – genau richtig und teilte mit, dass er neben dem Verwalter auch die übrigen Wohnungseigentümer vertreten würde. Weiterhin würde er im Namen der übrigen Wohnungseigentümer bezüglich der „neuen“ Klage auf alle Einlassungs- und Ladungsfristen verzichten und den Antrag stellen, die Anfechtungsklage gegen die Wohnungseigentümer zurückzuweisen.
Das Gericht nahm daher die neuen Anträge ins Protokoll und teilte mit, dass es in 3 Wochen einen Verkündungstermin geben würde.Dort wird die Klage mit Sicherheit vollumfänglich abgewiesen werden.
Der Klägeranwalt hat damit (unabhängig von einer anwaltlichen Haftung) die Kosten des Klägers statt durch eine Klagerücknahme zu minimieren tatsächlich mehr als verdoppelt. Denn die nunmehr erhobene Anfechtungsklage ist aus zwei Gründen unzulässig bzw unbegründet:
– Nach § 44 Absatz 1 Satz 2 WEG müssen die Wohnungseigentümer bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung benannt werden. Erfolgt dies nicht, ist dien Klage unzulässig. Vorliegend wollte der Klägeranwalt die Beklagten nach Ende der mündlichen Verhandlung benennen. Damit ist die Klageänderung schon unzulässig.
– Eine Anfechtungsklage muss nach § 46 WEG binnen Monatsfrist erfolgen. Ein Parteiwechsel ist rechtlich wie eine „neue“ Klage zu behandeln. Vorliegend waren die anzufechtenden Beschlüsse im September 2013 gefasst worden. Somit war die Anfechtungsklage auf jeden Fall nach § 46 Absatz 1 WEG unzulässig.
Es kann also faktisch keine andere Entscheidung als eine Klageabweisung ergehen. Dies wäre einem Anwalt, der sich im Wohnungseigenumsrecht zumindest ansatzweise auskennt, bereits nach den ersten Hinweisen klar gewesen. Trotzdem wurden hier noch wild und ohne weiteres Nachdenken eine Parteiänderung trotz offensichtlicher Verfristung beantragt, ohne dass sich der Klägervertreter über die Folgen seines Handelns im Klaren war. Der Beklagtenanwalt hat die Prozesssituation sofort erkannt und durch die simple Erklärung des Verzichts auf Ladungsfristen dem Kläger jede Möglichkeit der Korrektur seines fehlerhaften Verhaltens genommen. Aus seiner Sicht verständlich, hat er doch durch diese kurze Einlassung seinen Verdienst mehr als verdoppelt:
Die Prozesskosten machen dies besonders klar:
– Wenn der Kläger die Klage (bei einem fiktiven Streitwert von 2.000,- €) zurückgenommen hätte, wären dem Kläger insgesamt -ohne vorgerichtliche Tätigkeit – 1029,10 € an Prozesskosten entstanden.
– Durch die Klageänderung und das zulässige Verhalten des Beklagtenanwaltes muss der Kläger nun die Kosten der Rechtsverteidigung der Verwaltung zahlen, und die Kosten der Rechtsverteidigung der anderen Wohnungseigentümer. Die Prozesskosten belaufen sich durch das Verhalten seines Prozessbevollmächtigten auf mindestens 1.921,10 € (bei einem angenommenen Streitwert von 2.000,- €). Der Beklagtenvertreter erhält nun vom Kläger statt 470,05 € insgesamt 1297,10 € Anwaltsgebühren erstattet. Der Kläger hat daher einen unnötigen Schaden von mehr als 800,- €, nur weil der Klägervertreter keine Ahnung von dem Verfahren in Wohnungseigentumssachen hat.
Ich fühlte mich als Beobachter dieses Dramas nicht wohl, ein klarer Fall von Fremdschämen. Aber hätte ich dem ahnungslosen Kollegen – irgendwie – einen Tipp geben sollen ? Und hätte der Kollege, der doch schon die deutlichen Hinweise des Gerichtes ignoriert hatte, diese Tipps vor seinem Mandanten überhaupt angenommen ? Ich glaube nicht.
Ich muss daher meinen oben zitierten Blogbeitrag präzisieren. Im allgemeinen sollte sich der Betroffene nicht selbst vertreten. In schwierigen Rechtsgebieten sollte der Betroffene sich auch vergewissern, dass der Rechtsanwalt ausreichend Erfahrungen in diesem Rechtgebiet vorweisen kann.
Ein Fachanwaltstitel bietet ausreichend Sicherheit, ansonsten geben die Arbeitsgemeinschaften des Deutschen Anwaltsvereins Informationen über in den jeweiligen Rechtsgebieten versierte Anwälte.
Der Kollege wird dem Mandanten dann natürlich so etwas wie „Recht haben und Recht bekommen…“ oder „Auf hoher See und vor Gericht…“ erzählen.