Immer wieder erleben wir bei Mandanten das „Vogel-Strauss“ Prinzip, es wird sämtliche Post ignoriert, bis der Gerichtsvollzieher klingelt. Hier gibt die Rechtsordnung klare und deutliche Vorgaben, wer die teilweise recht kurzen Fristen verpasst, muss mit den Folgen leben. Aber kann das für – fast – ein ganzes Leben gelten ? Muss man deshalb seine Arbeitsstelle wechseln, um einem mehrere Jahre alten Urteil zu entfliehen ? Wir meinen, dass ein einzelner Fehler nicht ein ganzes Leben beeinflussen darf. Dies hat die Kanzlei MKB bis zum Bundesgerichtshof durchgefochten.
Leider ohne Erfolg. Was war passiert:
Unser Mandant war durch die Trennung und das Scheidungsverfahren in eine Krise gekommen. Auf das Anschreiben des Gerichts hinsichtlich der Berechnung der Unterhaltsansprüche für die gemeinsamen Kinder reagierte er nicht. Zum damligen Zeitpunkt war er auch nicht anwaltlich vertreten. Es erging ein Versäumnisurteil, welches rechtskräftig wurde. Nun zum Problem:
Die Anwältin der Exfrau hatte im Rahmen der Berechnung des Unterhaltes das Einkommen des Mannes zu Ehezeiten als Berechnungsgrundlage angenommen. Dieses hatte sich aber in der Zeit des Scheidungsverfahrens erheblich verringert, insbesondere waren durch die Trennung der Verheiratetenzuschlag, der Splittingvorteil sowie der Ortszuschlag für die Kinder entfallen. Rein tatsächlich hatte dies zur Folge, dass durch die hohe Unterhaltsbelastung der Mann weniger als die eigentlich vorgeschriebene Pfändungsfreigrenze zum Leben hat und die Schulden ständig höher werden.
Dieser auf dem Versäumnisurteil beruhende Unterhaltstitel wurde nun mit der Abänderungsklage angegriffen. Juristisches Problem (kurz gefast) dabei: Welches Einkommen ist als Einkommen zum Zeitpunkt des ersten Urteils – des Versäumnisurteils – anzunehmen: Dass tatsächliche Einkommen oder das dem Urteil zu Grunde liegende, tatsächlich aber „falsche Einkommen“ ? Wenn es das „reale“ Einkommen ist, kann eine Abänderungsklage nicht erfolgreich sein, da sich dann das alte Einkommen nach Urteilsverkündung nicht verändert hat. Daher ging es in dem Verfahren darum, festzustellen, dass sich das Einkommen verändert hat, da es geringer ist als das Einkommen, welches das Gericht in seinem Versäumnisurteil zu grunde gelegt hat.
Diese Frage wurde von uns über das Amtsgericht und das OLG Schleswig bis zum Bundesgerichtshof getragen. Doch leider hat sich der BGH in der bisher noch nicht abschließend entschiedenen Frage dahin gehend entschieden, auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen (siehe Urteil des BGH vom 12.5.2010, AZ: XII ZR 98/08). Dies wurde rein juristisch begründet und ausgeführt, dass ein Abstellen auf die im Versäumnisurteil angeführten Gründe zu einer Änderung von „Fehlern“ bereits rechtskräftiger Urteile führen würde. Als Begründung wurde angeführt: „Dies hat der Senat stets abgelehnt“. Der BGH hat also auf die tatsächlichen Verhältnisse abgestellt, die der Kläger versäumt hat dem Gericht mitzuteilen, so dass sich im Ergebnis das Gehalt nicht geändert hat und der unrichtige Unterhaltstitel bestehen bleibt, nur weil er Rechtskräftig ist. Wer zu spät kommt, den bestraft die Justiz.
Aus juristischer Sicht mag ein solches Urteil sicherlich nachvollziehbar sein, aber es führt zu einem tragischen Ergebnis für den Betroffenen. Denn selbst ein Insolvenzverfahren würde kaum weiterhelfen. Der Unterhaltstitel läuft trotz der Insolvenz weiter, d.h. die überhöhten Unterhaltsansprüche würden in der Schuldenbereinigungsphase erneut auflaufen, und diese wären dann nicht von der Insolvenz umfasst. Da der Unterhaltsanspruch auch noch über mehr als 10 Jahre läuft, wäre der einzige Ausweg für den Beamten irgendwie die Entlassung unverschuldet hinzubekommen (eine schuldhafte Auflösung des Arbeitsverhältnisses würde dazu führen, dass der alte Unterhaltstitel bestehen bleibt..). Und das bei einem Beamten.
Hier sieht man mal wieder, dass in der Justiz Recht nicht immer mit Gerechtigkeit gleichzusetzen ist (auch wenn viele dieser Ansicht sind). Und man für Versäumnisse gegenüber den Gerichten teilweise ewig zahlen muss.
Wieso war der Mandant damals nicht anwaltlich vertreten (§ 78 II ZPO a.F.)?
Weil er sich nicht darum gekümmerthat…..
Eventuell Klage beim Bundesverfassungsgericht (Art. 2 Abs. 1 GG, es gab mal ein Urteil, mit dem eine bestimmte Regelung zum Versorgungsausgleich aus diesem Grund gekippt wurde, AZ habe ich aber nicht) oder, wenn das nicht hilft, beim EMGR.
Oder ganz praktisch, der Beamte wird dienstunfähig (eine Neigung zu Depressionen besteht ja anscheinend) und damit ändert sich das das Einkommen.