Vor kurzem hatte ich ein in mehrfacher Hinsicht spannendes Verfahren. Es ging darum, ob die Wohnung des Mieters tatsächlich 10% weniger Grundfläche hatte als im Mietvertrag angegeben. Nach der Rechtsprechung des BGH kann ein Mieter nur dann eine Rückzahlung der anteiligen Miete einer tatsächlich zu kleinen Wohnung gemäß § 812 BGB verlangen, wenn die tatsächliche Wohnfläche von der im Mietvertrag angegebenen Wohnfläche um mehr als 10% abweicht. Entscheidend für die Überschreitung oder Unterschreitung der 10% in diesem Verfahren war die Berechnung der Wohnfläche der zur Wohnung gehörigen Terrasse gemäß § 4 Abs. 4 WoFlV. Danach ist die Wohnfläche von Terrassen, Dachterrassen und Balkonen in der Regel mit 25% der Grundfläche zu bewerten. Der Streit im amtsgerichtlichen Verfahren wogte hin und her, was nun unter dem schwammigen und auslegungsbedürftigem Begriff „in der Regel“ zu verstehen sei, die Akte wurde immer dicker. Insbesondere wurde ein am 22.4.2009 anstehendes Urteil des BGH (Siehe VIII ZR 86/08) zu dem Thema in der mündlichen Verhandlung thematisiert. Das beeindruckte den Amtsrichter jedoch wenig, er setzte den Verkündungstermin auf den 21.4.09 an, einen Tag vor der Verkündung des BGH an, sprich es war ihm egal wie der BGH urteilten würde. Wenn der BGH also zu neuen Erkenntnissen bei der Bewertung der Wohnfläche einer Terrasse kommen würde, wäre eine Berufung einer Partei und Aufhebung ziemlich sicher gewesen. Und im allgemeinen werden Richter ungern von der höheren Instanz aufgehoben, das ist der Karriere schädlich.
Das Urteil war auch angesichts der Dicke der Akte überraschend kurz, der Entscheidungstext hinsichtlich der Berechung ist nicht länger als ein üblicher Tenor:
Die Fläche der streitgegenständlichen Wohnung beträgt nach den Ergebnissen des Ortstermins 47,7 qm , und ist damit um mehr als 10% kleiner als im Mietvertrag ausgewiesen, der eine Fläche von 56qm nennt.
Die Terrassenfläche ist nur zu einem Viertel bei der Gesamtfläche der Wohnung zu berücksichtigen. Nach § 4 WoFlV, der für das Mietverhältnis anwendbar ist, sind „in der Regel“ nur ein Viertel der Fläche einer Terrasse anzurechnen. Von dieser Regel ist bei preisfreiem (wie im vorliegenden Fall) niemals abzuweichen, weil § 4 WoFlV nur aufgrund von besonderheiten bei preisfreiem Wohnraum flexibel gefasst worden sei (Langenberg in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 9. Auflage 2007, Anh. zu § 556a BGB Rn. 8f.) Unerheblich ist daher die konkrete Lage der Terrasse. (AG Hamburg Barmbek, Urteil vom 21.4.2009 (rechtskräftig) AZ: 820 C 258/08) Volltext nur bei mir)
Das war die Quintessenz der vielen Schriftsätze. Ein so kurzes Urteil habe ich bisher noch nicht erlebt. Da der Richter den Fall im Rahmen eines Richterwechsels übernommen hatte, war es ihm scheinbar egal, ob die Angelegenheit aufgehoben werden würde und wollte sich wohl deshalb nicht allzuviel Mühe machen.Insbesondere die zitierte Fundstelle ist nur eine Meinung, eine herrschende Meinung gibt es noch nicht zu diesem Problem. Glücklicherweise für meine Mandantin wendete das am nächsten Tag ergangene Urteil des BGH die Vorschrift des § 4 WoFlV für die Entscheidung gar nicht an, da diese Vorschrift nur für Mietverhältnisse ab dem 1.1.2004 gelte, was in dem vom BGH zu entscheidenden Fall nicht vorlag. Wann nun der „Regelfall“ des § 4 WoFlV vorliegt, wurde in der BGH Entscheidung nicht thematisiert.
Fazit:
Auch dieses Urteile des BGH und des AG HH-Barmbek bringen kein Klarheit in das Problem „Bestimmung des Regelfalls“ bei der Berechnung der Wohnfläche einer Terrasse (oder Dachterrasse oder Balkon) gemäß § 4 WoFlV, für entsprechende Streitigkeiten in Hamburg kann es aber durchaus als Indiz genutzt werden.
Bei Mietverträgen aus den Jahren vor 2004 ist die Unsicherheit noch größer, hier kommt es bei der Berechnung darauf an, ob es ortsüblich ist (war) weniger als 50% als Wohnfläche anzurechnen.
Mehr Klarheit wurde durch das Urteil des BGH nicht geschaffen.
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